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Die Weinregion Gaillac ist ein kleiner Geheimtipp im mittleren Süden Frankreichs (Departement Tarn, Okzitanien) und blickt auf eine große Historie zurück: Bereits vor unserer Zeitrechnung wurde dort Weinbau betrieben mit einem großen Aufschwung im Mittelalter. Über die Flüsse Tarn und Garonne in Richtung Atlantik, haben die Gaillac-Weine in früheren Jahrhunderten die damals schwachbrüstigen Bordeaux´s aufgepeppt und fanden ihre Wege bis in die europäischen Königshäuser. Wir kennen und schätzen seit Jahren die Weine der Domaine Vayssette von den Messen der „Vignerons Independent“ (siehe Podcastfolge 032) und haben der kleinen Appellation deshalb kurzerhand mal einen Besuch abgestattet.
Hier erzählen wir dir die kulinarischen Horizonte aus Gaillac, aber das war bereits das Stichwort auf dem Weg dahin! Ein lang gehegter Wunsch von Burkhard wurde endlich wahr, nämlich die Autoroute A 75 in Richtung Südfrankreich zu nehmen und über den „Viaduc du Millau“ zu fahren. Diese gigantische Brücke über die Tarn-Schlucht ist mit fast 2,5 km die längste Schrägseilbrücke der Welt und bei einer maximalen Pfeilerhöhe von 343 m das höchste Bauwerk Frankreichs. Auf der Nordseite der 2004 eröffneten Brücke gibt es eine kleine, aber sehr schöne und kostenlose (läufst du bei uns weit für!) Ausstellung zum Bau, die du dir anschauen solltest. Eine Ahnung von den imposanten An und Aussichten an der Brücke findest du hier:
Wir hatten vor der Brückenüberquerung die Autobahn verlassen, um unserer Nase folgend ein ordentliches 3-Gänge-Mittagsmenü in einem Landgasthaus zu finden. Dort sahen wir ein Bild des „Viaduc de Garabit“, eine von Gustave Eiffel gegen Ende des 19. Jahrhunderts erbaute, stählerne Eisenbahnbrücke über das gestaute Flusstal der Truyère um die Ecke. Es war klar, dass wir der Landstraße folgten, um die querliegende Schwester des Eiffel-Turms in Paris zu sehen ?
Bei der Weiterfahrt zurück zur A 75 haben wir noch ein nettes Käselädchen am Wegesrand entdeckt und gleich ein paar Produkte der offensichtlich entspannten Kühe mitgenommen.
Nach der beeindruckenden Überfahrt über den Viaduc du Millau und dann von der Autobahn weg über Land in Richtung Gaillac kommst du auch an den Felshöhlen von Roquefort vorbei, wo der wohl berühmteste Blauschimmelkäse der Welt (genauso eine Zufallsentdeckung wie der Champagner ?) bis heute zum absoluten Genuss heranreift.
Gegen Abend sind wir dann in unserer Unterkunft gelandet, dem „Relais de Joseph“ in Brens, direkt an der Staustufe gegenüber einem Wasserkraftwerk, wegen dem der Mühlenbetrieb in den 40er Jahren eingestellt wurde. Die Chambres d’hôtes in einer alten Mühle direkt am Ufer der Tarn sind ein echtes Kleinod für Ruhesuchende. Die Gastgeberin hat uns so herzlich willkommen geheißen, wie wir es selten erlebt haben. Dazu gehörten auch Brot, Käse und Wein, die wir in der Abendsonne am Fluss genüsslich verspeisten.
Das Haus ist super familiär und wir hatten ein liebevoll dekoriertes Zimmer. Das Frühstück konnten wir im wildromantischen Garten genießen, die Frösche im kleinen Becken daneben haben im Frühsommer etwas anderes genossen ?
Die Landschaft ist grün, leicht hügelig und sehr weitläufig, und nachdem wir am nächsten Tag das Städtchen Gaillac besuchten, haben wir uns spontan entschlossen, ein paar Tage dranzuhängen. In dem 15.000-Einwohner-Städtchen Gaillac gibt es einen schönen, platanengesäumten Platz in der Mitte mit Bouleplatz & Restaurants, Bars & Cafes drumherum, wie es sich für eine französischen Ort eben einfach gehört…. und einen Bio- und einen Wochenmarkt.
In der Region gibt es schöne, kleine alte Bergstädtchen wie Castelnau de Montmiral (oder Castelnu im regionalen Dialekt) mit alten Fachwerk- und Steinhäusern. Foie gras und Magret de Canard sind hier ein großes Thema, daran merkst du die Nähe zum Périgord.
An dem kleinen zentralen Platz, wo der Rosmarin in Kübeln wächst, gibt es ein Hotel sowie das Michelin- und Gault/Millau-empfohlenes Restaurant „Arcade“ (letzterer ist übrigens der Nachname des einen Herausgebers und hat nix mit der Brücke zu tun ?).
Da wir Urlaub und ein leichtes Hungergefühl hatten und uns die fast vollbesetzte Terrasse unter den Arkaden so einladend erschien, haben wir uns niedergelassen. Was nimmt der Franzose und die Französin nicht nur klischeehaft, sondern richtigerweise zum Mittagessen? Richtig: Ein leichter weißer Arbeitswein geht immer! So lernten wir direkt eine nur hier angebaute Spezialität kennen, den weißen Loin de l´oiel, in diesem Fall von der Domaine Mas Pignou, die uns bereits auf der Herfahrt am Straßenrand auffiel.
Für die nächsten zwei Nächte haben wir uns unterhalb von Castelnu im „Mas Castel“ eingemietet, mit einem schönen Pool im Garten. Das der Hausherr Fliesenlegermeister ist, merkst du gleich!
Nach der erfrischenden mittäglichen Weinerfahrung in Castelnau mussten wir die Domaine Mas Pignou natürlich besuchen. Bernard Auque, auch ein Vigneron Independent, hat uns gerne seine Weine verkosten lassen, neben dem Loin de l´oiel (eine autochthone Rebsorte, die es nirgendwo sonst auf der Welt gibt) auch einen leicht sprudeligen schönen Sommer-Rosé und eine Cuvée aus Braucol und Duras, den typischen Rotweinreben der Region, mit einem kantigen, aber nicht erschlagenden Charakter. Der Winzer, ein sympathisches Filou, beweist nicht nur beim Wein, sondern auch mit seinem schönem alten Peugeot vor der Tür Geschmack!
Das kleine Örtchen Puycelsi solltest du in jedem Fall besuchen, wenn du in der Region bist. Auf einer Anhöhe gelegen, hast du von dem 450-Seelen-Ort mit Resten von alten Festungsmauern grandiose Ausblicke, bei gutem Wetter bis zu den Pyrenäen!
Puycelsi zählt wie Castelnau-de-Montmiral zu den „Schönsten Dörfern Frankreichs“. Du kannst hier beim Spazieren kleine Gässchen, intime Plätze und enge Gänge um Kirchen entdecken.
In diesem idyllischen Ort über den Tälern der Region haben wir an einem Abend im „Roc Cafe“ ein recht einfaches, aber sehr gut gemachtes Abendmenü eingenommen.
Du sitzt hier draußen unter einem angenehmen Dach aus Blättern und hast einen Blick Richtung Süden. Natürlich ist die Kulinarik in diesen Ort schon etwas touristisch, es hat im Übrigen in der Region auch auffallend viele Engländer – das hat wahrscheinlich neben der Landschaft auch mit den historischen Weinlieferungen ins englische Königshaus zu tun. Aber wir hatten mit der charmanten Servicekraft (im Hintergrund) viel Spaß – sie hat uns ja auch gut beraten und versorgt…..
Als Auftakt haben wir eine typische Terrine de Campagne sowie eine richtig gut gemachte Foie gras gewählt.
Burkhard hat sich in Erinnerung an eine Visite in Carcassonne für ein klassisches „Cassoulet“ entschieden, Betina hat eine Variation von gebratener Entenbrust gewählt.
Nach einem soliden Abendessen mit sympathisch ungeschminkten Weinen der Region haben wir noch einen fantastischen Sonnenuntergang genießen dürfen. Eigentlich lohnt es sich schon allein dafür, hier hochzufahren!
Ach herrje, eigentlich wollten wir dir ja von den Weinen der Domaine Vayssette erzählen – wir hoffen, du kannst uns verzeihen, wenn wir gerade etwas ins Schwärmen geraten sind und dir ein paar andere Tour- und Genusstipps verraten haben ?
Die Domaine Vayssette liegt etwas nördlich wunderschön in den ansteigenden Hügeln hinter Gaillac, und allein schon die Ausblicke sind ein Genuss. In unserer Podcastfolge 068 kannst du unsere Verkostung der Weine mit der Inhaberin vor Ort im O Ton hören!
Der Rosé des Hauses war exakt der Wein, der unsere Verbindung zur Domaine entstehen ließ. Die Cuvée aus Braucol und Syrah zeigt ein wunderschönes, eher etwas dunkleres lachsfarbene Rosé, und die Kondenswasserperlen auch am Glas kündigten eine genussvolle Erfrischung an ?
In der Nase mit frischen, kräftigen Fruchtnoten überzeugend, ist dieser Super-Sommerwein perfekt zu gegrilltem Fisch und leichtem Fleisch. Schön leicht pelzig am Gaumen, sind die dezenten Tannine trotzdem präsent – das ist alles andere als ein süßer, rosa „Kopfschuss“!
Die Weissswein-Cuvée Galliac blanc sec perle besteht aus vier Rebsorten. Ein helles Grün erkennst du mit dem Auge, bevor du einen Obstsalat aus Birne und Apfel in der Nase hast. Am Gaumen weich und mineralisch, wiederholen sich die Fruchtaromen am Gaumen mit einer minimalen Perlage, die sehr erfrischend ist. Die Domaine füllt den Wein in die spezielle bauchige Flaschenform, die es so ausschließlich in dieser Appellation, die 1969 geschaffene „Gaillacoise“ (Bild oben 3. von rechts und das Einzelbild) gibt.
Die „Cuvée Clemence“ aus 100% Mausac ist vanillig, cremig, caramellig und hat Noten von Erdnussbutter. Trotz des erforderlichen Fasseinsatzes nicht overoaked!
Der „Prunelard“ eröffnet in der ersten Wahrnehmung neben einem Brombeerrot Noten eines Pflaumenkompott, er mutet eher würzig an. Allerdings waren wir uns hier in der Wahrnehmung nicht ganz einig – höre unsere unterschiedlichen Gefühlseindrücke in unserer Podcastfolge 068.
Der Braucol – DIE rote Parade Rebsorte aus Gaillac – ist sehr würzig, von einer dichten Farbe bestimmt und überzeugt mit einer kräftigen Nase nach Leder sowie seinen würzigen und animalischen Anmutungen. Mit seiner kräftigen Präsenz ist das ein ehrlicher Wein, nicht aufgehübscht, sondern geradeaus eckig und kantig, auch etwas raubeinig.
Die Cuvée aus Braucol und Syrah zieht mit 14% Vol. schöne Kirchenfenster und zeigt in der Nase Preiselbeere, Pfeffer. Die Aromen werden von deutlichen Tanninen arrondiert: Kein Wunder bei dieser Reben-Kombination aus zwei „kantigen Kerlen“.
Burkhard´s Krimi-Tipp im Zusamenhang mit Gaillac:
?Peter May, Das Grab im Weinberg – Ein Fall für Enzo Mackay
Dieser spannende und entspannende Krimi spielt in Gaillac und natürlich im Weinmilieu! In einem Weinberg wird die Leiche eines berühmten und mächtigen Weinkritikers gefunden. Das Geschäft mit dem Rebengold wird von manchen offenbar mit äußerst harten Bandagen betrieben….und welche Rolle spielt die (tatsächlich) wohl älteste Weinbruderschaft Frankreichs?
Die Domaine Vayssette (hat aber nichts mit der ohnehin fiktiven Handlung zu tun!) taucht ebenso auf wie ein Hund, der auf den Namen „Braucol“ hört (eine der autochthonen Reben der Appelation).