Nachdem unsere Feinschmecker-Entdeckungen in Loudoun County (Virginia) für das erste Mal dort abgeschlossen waren, haben wir unser Manor at Airmont verlassen und uns auf den Weg Richtung Süden zu unserem nächsten Ziel Charlottesville begeben, um dort eine weitere interessante Genuss-Region im Osten der USA zu erkunden.
In diesem Beitrag kann Werbung enthalten sein, selbst dann, wenn keine Werbekooperation oder anderweitige Zusammenarbeit mit den genannten Unternehmen stattgefunden hat. Generell geben die Texte immer meine eigene Meinung wieder. Kooperationen, die beauftragt sind werden mit Anzeige gekennzeichnet.
Wir hätten natürlich auf direktem Weg den Highway 15 Richtung Süden nehmen können und wären in gut zwei Stunden in unserem nächsten Hotel „The Clifton“ gewesen. Aber da ja bekanntlich auch der Weg das Ziel sein kann, haben wir uns für einen gemütlichen Tagestrip entschieden, um ein interessantes Weingut und eine landschaftlich herausragende Strecke zu genießen, nämlich den Skyline Drive im Shenandoah National Park (siehe Bild). Du liest hierüber am Schluss des Beitrags.
Und da wir uns auf unseren Reisen immer gerne auch inspirieren lassen, haben wir völlig ungeplant ein zweites Weingut auf der Strecke „mitgenommen“ – aber lies selbst!
Deshalb lernst du zum einen das Weingut Chrysalis in Middleburg, Virginia, mit der dazu gehörenden Käserei „Locksley Estate Farmstead Cheese Company“ kennen.
Das Weingut liegt auf einer kleinen Anhöhe inmitten seines weit ausladenden Grundstücks und kultiviert neben Viognier u.a. auch eine ur-amerikanische rote Rebsorte, die Norton. Auch Chrysalis hat uns wieder an die südafrikanischen Weingüter erinnert, wo viele Menschen den Aufenthalt in der freien Natur rund um das Weingut zum Essen und Trinken, entspannen und Spaß haben nutzen.
Auch das Boule-ähnliche Wurfspiel, was wir in der Black Walnut Brewery zum ersten Mal gesehen haben (➡️hör unsere Podcastfolge 122!?), ist uns hier wieder begegnet.
Wir wollten bei diesem Produzenten – neben dem Käse – unbedingt ein paar Weine probieren, und das haben wir uns mit einer 4er-Probe, die gut eingeschenkt war, erfüllt.
Der 2017er Albarinho war knapp zur Hälfte im französischen Holz, was du aber maximal an einer sehr angenehmen, cremigen Textur feststellst. Reife Birne florale Noten und eine frische Meeresbrise prägen die Aromatik, was für einen teils im Holz gereiften Weißen interessant ist. Eine ganz leichte Vanillenote und minimale Säure machen aus dieser portugiesischen, für den Vinho Verde wichtigsten Rebsorte einen Super Sommer-Wein – ein toller Begleiter zu Muscheln oder Austern aus der Chesapeake Bay!
Betina´s Lieblingsweißer Viognier 2016 war natürlich einer der „must-haves“! In der Nase grüne Stachelbeeren und Cantaloup Melone, am Gaumen eine wahre Offenbarung: Ganz dezente Säure, die Fruchtaromen wiederholen sich, dann macht sich der Wein ganz breit im Mund mit mineralischen Noten. Auch dieser Weiße hat eine herrlich cremige Textur mit leicht bizzeliger Note, die fünf Monate im französischen Holz erschlagen den Wein keineswegs. Ein toller Vertreter dieser Rhône-Rebsorte, für uns besser als der bei Maggie Malick Wine Caves.
Und dann hatten wir es endlich, unser erstes Rendez-vouz mit der ur-amerikanischen Rebsorte, „the real american grape“: Auftritt Norton, im kleinen Schwarzen auf großer Bühne!
Der Wein aus dieser Rebsorte ist so dunkel, dass er auch als Deckwein verwendet wird: Tiefschwarz ist die Hybride, die zu den historisch wichtigsten autochthonen Rebsorten der USA zählt – so wichtig, dass vor zehn Jahren Riedel speziell für diesen Wein ein Stielglas entwickelt hat.
Chrysalis Vineyards hat die weltweit größte Einzelpflanzung dieser interessanten Rebsorte. „Schitz and Giggels“ heißt der reinrassige Norton, gewidmet zwei deutschen Einwanderern, die die Rebsorte durch die Prohibition gerettet haben. Sieben Monate in neuer, amerikanischer Eiche gereift, offenbart der Wein leicht marmeladige Fruchtnoten, aber auch würzige Aromen von roter Paprika, auch etwas Rauch-Paprika. Am Gaumen zeigt sich mit eingemachter Pflaume, Blaubeere und Brombeere eine deutliche Frucht und eine leicht spicy Note. Zu dem Wein solltest du ein Fleisch genießen, z.B. einen lang geschmorten Braten, für den der Wein auch eine extrem gute Sauce hergibt!
Die Locksley Reserve hat neben drei Viertel Norton noch 15 % Petit Verdot und 10% Tannat an Bord und war 12 Monate im Holz. Der Wein ist natürlich deutlich komplexer, mit einem klar gezeichneten Tannin und würziger Muskatnuss sowie etwas Zimt und einem Hauch Kaffee. Die versprochene Himbeere haben wir nicht gefunden; wenn, dann ist da etwas Brombeere. Solo oder zu erdigen Pilzgerichten oder einem Pfeffersteak ein Genuss.
Alles in allem hat uns unsere erste Begegnung mit Norton positiv überrascht: Das hätten wir so nicht vermutet! Insgesamt sind die Weine bei Chrysalis sehr rund und gut gemacht.
Die Käserei im Keller bringt ordentliche Produkte auf den Teller: Ganz klassische Sorten, diese aber gut gemacht.
Chrysalis erinnert uns mit seinem großen Außenbereich, wo du mitten in der Natur sitzen und entspannen, essen und trinken kannst, stark an die Weingüter in Südafrika.
Ein kurzes Interview in englischer Sprache über die geschmacklichen und sonstigen speziellen Eigenschaften der Norton Rebe hörst du in unserer ➡️Podcastfolge 131!?
Wir präsentieren dir heute zum anderen – sozusagen als Bonus Track – die Rappahannock Cellars kurz vor dem Eingang zum Shenandoah National Park.
Ganz im Süden von Loudoun County wollten wir spontan wissen, welche Besonderheiten die Weine in dieser Gegend aufzeigen, und haben gerade noch die Abfahrt von der Hauptstraße Richtung Weingut erwischt…
Wir haben uns für ein kleines Tasting mit 7 Weinen entschieden, und der Opener war eine Granate: Ein Sparkling Rosé, aus 80% Cabernet franc und 20 % Chambourcin. Dunkelrosa, der Schaum schön weiß, in Nase und Mund herrlich intensive Erdbeer-Aromen! Chambourcin ist eine relativ jung verbreitete französische Neuzüchtung, die neben einigen Gebieten der USA im Rhônetal, Teilen der Neuen Welt und im Tessin kultiviert wird und an Merlot erinnert.
Der VX 2, was immer das auch bedeuten mag, ist eine Cuvée aus 75% Vidal Blanc und 25% Viognier. Ein adstringierender Wein mit wenig Frucht, der Viognier ist nicht zu erkennen. Zu weißem Fleisch vom Grill oder einer kräftigen Antipasti-Platte aber vermutlich in Ordnung.
Der 2016er Chardonnay war 10 Monate im französischen Holz, hat aber trotzdem noch eine schöne, präsente Säure. Trotz dem Holz keine wuchtigen Butternoten, sondern noch frisch und reich an Aromen präsentiert sich der Wein, mit 28 Dollar pro Flasche aber auch mit einem stolzen Preis.
Wir haben bei Rappahannock Cellars gelernt, was eine Meritage ist!
Der Begriff hat nicht mal eine Assoziation mit Weinen des nördlichen Rhônetals am Hut, sondern ist die Bezeichnung für einen amerikanischen „Bordeaux Blend“ (immerhin: Frankreich war richtig ?). Dieser muss mindestens aus zwei verschiedenen Rebsorten bestehen, eine darf maximal 90% haben. Bis zu fünf Sorten sind erlaubt, die sich aber alle im Besitz des Winzers befinden müssen, der auch ein amtliches Zertifikat dafür benötigt.
Probiert haben wir den 2017er, der aus 36% Petit Verdot, 24% Merlot, 22% Cabernet Sauvignon und 18% Cabernet franc besteht. Relativ typisch vom Stil, intensiv fruchtig, Himbeer, Brombeer, Veilchen sowie leicht würzige Noten am Gaumen prägen diesen Wein mit bordeaux-typischen aber samtigen Tanninen.
Der „Solera“ ist ein sonnengelber Dessert-Wein. Ein Teil der Trauben wird wie beim Vin Santo sonnengetrocknet und dann mit Jahrgängen des Weins verschnitten. In der Nase total abgefahren, im Geschmack deutlich an mitteltrockenen bis trockenen Sherry erinnernd, zeigt der Wein Noten von unreifen grünen Walnüsse, aber auch schwarzen eingelegten – ein perfekter Wein zum Käse-Dessert!
Der im Portwein-Stil ausgebaute 100% Norton war zum Teil ein Jahr im Holz, wird mit Brandy angereichert und reift nochmal in Whisky-Fässern. In der Nase unheimlich marmeladig mit dunklen Beeren und Schwarzkirsche, am Gaumen noch säurebetont mit etwas Sauerkirsche. Die 21%-Vol. merkst du, die Kirchenfenster laufen langsam wie Honig, nicht schnell wie Öl an der Glaswand herunter. 40 Dollar sind aber auch ein richtig stolzer Preis.
Ein insgesamt interessantes Weingut. Die Familie kam aus Kalifornien und wollte den Virginia-Wein revolutionieren – es ist ihr nach unseren Erfahrungen durchaus gelungen.
Schade fanden wir, dass die exklusiven Weine des Weinclubs auch gegen entsprechendes Geld nicht zu probieren waren, denn in diesem Portfolio waren sehr interessante Viogniers und andere Schätzchen. Nun gut, das ist offenbar das Marketing-Konzept des auch preislich sehr selbstbewusst auftretenden Weinguts, das für 10 Dollar wirklich wenig in die Probiergläser schenkt.
Von Rappahannock Cellars sind wir zur letzten Etappe unserer Tagesreise aufgebrochen. Von da sind es nur ca. 12 km ins Städtchen Front Royal, wo der Nordeingang zum Shenandoah National Park ist. Der Name ist indianisch und bedeutet so viel wir Tochter der Sterne.
Am Parkeingang ist die Meile 0 des legendären „Skyline Drive“, einer sensationellen Straße auf dem Kammrücken der Berge. Für 30 Dollar kannst du eine Woche lang im Park herumfahren.
Auf dem Skyline Drive kannst du das satt grüne, dicht bewaldete, fantastische Bergpanorama der Appalachen bis zum Horizont in vollen Zügen genießen. Die Bergkette, die vom Norden Kanadas bis Alabama reicht, trägt in diesem Teil in Virginia einen sehr bekannten Namen: Blue Ridge Mountains!
Blau, weil sie oft in ein wässriges blau getaucht erscheinen.
Ridge bedeutet Kamm oder Grat, und in der Tat sieht diese Bergkette aus der Satellitenperspektive aus wie Spurrillen oder riesige Flyschs wie im Baskenland, wie eine liegende Ziehharmonika.
Uns klang unweigerlich die Foxtrott-Feuerzeug-Nummer von John Denver im Ohr:
Almost heaven, West Virginia, Blue Ridge Mountains, Shenandoah River
Life is old there, older than the trees, Younger than the mountains, growing like a breeze
Country roads, take me home…?
Der Shenandoah National Park ist Natur und Ruhe pur und deshalb eine beliebte Freizeitregion mit ca. 800 Meilen Wanderwegen sowie Reit- und Bike-Möglichkeiten.
Oder du wählst eben unsere Variante, also „Sightseeing by car“, einem gemütlichen Dahingleiten mit deinem Mietwagen! Wir sind vom Nordeingang rd. 120 km Strecke Richtung Süden auf bis zu 1.150 Höhenmetern geklettert und über das Thornton Gap bis zur Swift Run Gap Entrance Station gefahren. Rechne dafür einen halben Tag, also: volltanken, Getränke und ein paar Snacks sollten auch an Bord sein!
Der Skyline Drive entstand während der Weltwirtschaftskrise in den 1930er Jahren als erfolgreiches Konjunktur- und Beschäftigungsprojekt. An über 70 Aussichtspunkten kannst du anhalten und außergewöhnliche Landschaftsbilder schießen. Es gibt viel Gegend und Wald, Wasserfälle und weite Aussichten auf Bergketten, außerdem ein paar Rastplätze und Camping-Möglichkeiten.
Aber Vorsicht: Extra-Hinweisschilder warnen dich in den Regionen des Parks, der von Bären bewohnt ist, vor „Kollision“. Und da solltest du etwaige Lebensmittel weit weg von dir haben oder dich selbst im mit geschlossenen Fenstern sicheren Auto befinden! Trotzdem haben wir Leute gesehen, die dort auf dem Skyline Drive zu Fuß unterwegs waren…
Am Straßenrand siehst du nicht nur Rehe, auch Eulen oder sonstige Tiere. Wir waren im Sommer da, besonders schön muss es hier im Indian Summer sein, wenn die unendlich weiten Wälder sich herrlich bunt einfärben.
Uns hat diese Ecke Virginias wirklich gefallen: Die Gegend hat irgendwie eine beruhigende Wirkung, die Straßen sind vergleichsweise ziemlich leer, Natur pur, in der die Hektik unserer Zeit noch nicht so wirklich angekommen zu sein scheint. Spitze zum Chillen!