Von Mondlandschaften und Weinschlachten: Rioja Alavesa 2

Für unseren Aufenthalt im Rioja Alavesa hatten wir uns bewusst einen Ort ausgesucht, von dem aus wir das Gebiet bequem erkunden konnten.

In diesem Beitrag kann Werbung enthalten sein, selbst dann, wenn keine Werbekooperation oder anderweitige Zusammenarbeit mit den genannten Unternehmen stattgefunden hat. Generell geben die Texte immer meine eigene Meinung wieder. Kooperationen, die beauftragt sind werden mit Anzeige gekennzeichnet.

Wir haben uns das Agroturismo Vitivinicola Carpe Diem in Navaridas (ca. 2-3 km westlich von Laguardia Richtung Elciego) ausgesucht. 

Das Gebäude des richtig alten, ehemaligen Hofs und Weinkellerei liegt mitten in dem kleinen Dorf, wo es sonst fast nix gibt außer, dass du im Sommer das öffentliche Schwimmbad mitnutzen kannst… Schöne dunkle Holzelemente und dekorative Fliesen, Marmorwaschbecken und „Aufputz“-Elektroinstallation prägen das Gebäude.

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Quelle: Homepage
http://www.guzmanaldazabal.com

Das Carpe Diem gehört dem kleinen Weinmaker Guzmán Aldazabal und seiner Frau, die uns sehr herzlich umsorgt und in dem urigen Aufenthaltsraum jeden Morgen ein Frühstücksbuffet serviert hat. Gastfreundschaft wird hier gelebt; so fanden wir zur Begrüßung im Zimmer schon eine Flasche Tempranillo. Der Winzer hat ein selbstbewusstes Motto: „Menor producción es Mayor Calidad“ – Weniger Produktion ist höhere Qualität! 

Das konnten wir bei seinem Graciano schmecken, einer einheimischen Traube, die außerhalb des Rioja kaum angebaut wird und eine sehr anspruchsvolle Sorte ist, die heiße Sommer braucht. Er wird einige Monate im Holz gehalten, um das volle Potenzial der Sorte zu generieren: Dunkelrot, blumige Aromen, dezentes Bukett, die Säure verleiht Frische, reiche Extrakte und reiche, weiche Tannine.

Blick aus dem Zimmer bei schönem Wetter
Blick aus dem Zimmer beim Starkregen

Wir haben auch die im Rioja Alavesa typischen, schnellen Wetterwechsel erlebt, und zwar richtig heftig. Innerhalb von Minuten schlug das Wetter von Sonne und blauem Himmel um in ein richtiges Unwetter, das in dem Ort mindestens einem Winzer seine komplette Ernte 2018 verhagelt hat…

Die Hauptstadt der Region ist Haro, die am 29. Juni – dem Tag des Schutzheiligen San Pedro – ein kurioses Fest feiert: die Weinschlacht. Der Ursprung dieser Tradition liegt in wohl in einem Streit mit der nahe gelegenen Ortschaft Miranda de Ebro um die Zugehörigkeit einiger Felsen. 

Die gegnerischen Parteien beginnen den Tag mit einem Gottesdienst, anschließend beginnt die friedliche Schlacht zwischen den Gruppen, bei der sich die Teilnehmer gegenseitig literweise mit Wein bespritzen. Ein wahrlich beeindruckendes Spektakel, das bis Mittag dauert. Am Ende kehren die Bewohner nach Haro zurück und versammeln sich auf dem Plaza de la Paz. Vorgeschrieben ist weiße Kleidung, die einen definitiven Kontrast zum roten Wein bildet – wir finden, es ist zwar gut, sich nicht mit Waffengewalt um Grenzen zu bekämpfen, man kann mit Lebensmitteln aber auch Sinnvolleres anstellen…

http://www.batalladelvino.com

Auf dieses Spektakel hatten wir keine Lust und sind deshalb erst später in die Stadt gefahren, in der natürlich der Wein eine bestimmende Rolle spielt. Das siehst du schon an den künstlerisch und humorvoll wertvollen Fassadengemälden. Die Stadt fanden wir allerdings teilweise etwas schmuddelig und konnten uns irgendwie kaum vorstellen, dass hier so ein wichtiges Weinfest der Region gefeiert wird.

Ein schöner Platz ist der Plaza de la Paz mit seinem Jugendstil-Pavillon im Zentrum der Altstadt. Von hier aus kommst du in die netten kleinen Gassen, wo wir bei einer eher unscheinbaren Kneipe namens RINCON DE ASENJO aufgrund eines leichten Hungergefühls erwartungsvoll eingekehrt sind. Hier hat uns ein wirklich typisches, einheimisches Mittagessen erwartet. Das „Menu del dia“ kostet hier inkl. Einer Flasche Wein und Wasser werktags 12 €, SA/SO/Feiertag 15 € ?

Der Klassiker Patatas ala riojana, der Betina in Laguardia schon so geschmeckt hat, begeisterte ebenso wie die grundsoliden Albondingas in Tomatensalsa mit Pommes frites.

Den Abschluss des Menüs bildete eine Torte mit drei Schokoladen, die in der Gemengelage der verschiedenen Kakaosorten einen harmonischen Schlusspunkt setzen konnte.

Ein leichter, junger Weisswein namens „Beturia“ hat unseren Mittagsimbiss begleitet. Aus der Rebsorte Viura, ein hellgelber Wein mit Aromen von frischem Obst, Zitrusfrüchten und tropischen Anklängen und einer angenehmen Säure, wird er zu Fisch, Meeresfrüchte, Reis usw. empfohlen. Wir fanden: Er hat auch zu unserer Auswahl bestens gepasst!

In und um Haro als Herz des Rioja Alavesa gibt es natürlich eine ganze Menge von Weinkellereien. Wir hatten uns eine besondere ausgeguckt: Die Bodegas Muga. 

1932 gegründet, ist die Kellerei mit einer Produktion von 8 Mio. Flaschen p.a. und 260 ha eigenen Rebflächen (und das sind nur 60% der Gesamt-Produktion!) schon eine echte Größenordnung. Das ist zwar im Rioja recht normal, aber für uns standen hier Qualität und die Besonderheiten im Vordergrund.

Die Besichtigung kostet zwar 15 €, aber immerhin sind die inklusive einer Probe von 3 Weinen, und das Verkostungsglas kannst du mitnehmen – -Schott (Zwiese)l, ca. 8 € im Wert, also kein Kruscht!

Wir wollten diese Bodegas unbedingt sehen, weil wir in Hamburg den wuchtigen „Blanco Barriqua D.O.Ca“ entdeckt hatten, der überwiegend aus der sehr interessanten Traube Viura gewonnen wird (siehe Podcastfolge 008), und weil wir den super angenehmen Rosé der Kellerei im Restaurant Gandarias in San Sebastian (siehe Podcastfolge 080) getrunken hatten.

Der Ausbau wird klassisch im Holz ausgeführt – die Philosophie der Kellerei ist: Was funktioniert, wird nicht geändert! 

Große Fässer amerikanischer Eiche werden Jahrzehnte genutzt, die Barrique-Fässer aus französischer Eiche ca. 6-7 Jahre, um die ausdrucksstärkeren Aromen zu erreichen. 

Muga ist die einzige Kellerei in Spanien, die einen Meister und mehrere Gesellen in der eigenen Fass-Produktion haben. Das Handwerk wird also auch in dieser Beziehung gepflegt. 14.000 Fässer reifen im Keller.

Bild könnte auch eine tolle Einstiegsfrage für Nobody´perfect sein – was siehst du auf diesem Bild? Klar – ein Barriquefass, welches unten noch offen ist!

Die verschiedenen Toast-Grade der Fässer geben verschiedene Geschmacksnuancen weiter. Die verarbeiteten Haupt-Rebsorten sind Tempranillo, Garnacha, Marcuelo (= Carignan) und Graciano.

Die Bodegas Muga benutzen keine Filter, sondern ein sehr traditionelles Verfahren zur Klärung – die „Trasiega Por gravedad“, also Klärung durch Schwerkraft.

Am Fass kommt unten ein Hahn dran, oben wird es geöffnet, der Wein läuft raus und wird durch ein kleines Holzteil – ähnlich einem halbierten Eimer – in das nächste Fass geleitet. Dabei werden Schwebeteilchen etc. aufgefangen. Bei nur 2 Liter Verlust wird mit einem Glas eine Probe entnommen und vor einer Kerze der Farbtest gemacht, der die Reife des Weins feststellt. Pro Fass dauert dieser Vorgang ca. 40 Minuten.

Das finale Cleaning erfolgt mit Eiweiß, wobei 2 Eier für 100 Liter benötigt werden. In 6-7 Wochen sinkt das Eiweiß nach unten und klärt den Wein vollständig. Das Eigelb geht in eine Patisserie. Anschließend steht der Wein in der Flasche 5 Tage aufrecht, damit der Kork adaptiert wird.0

Verkostet haben wir den Blanco mit 90% Viura und 10% Malvasia, der 3 Monate im Barrique gereift ist. Die Aromen von Honigmelone, Pfirsich, etwas Zitrus und Vanille sowie blumige Akzente mit einem angenehm cremigen Gefühl am Gaumen haben uns wieder richtig beeindruckt!

Der Reserva (das Weingut macht nur junge Weine) und Reservas (muss mindestens 24 Monate im Barrique reifen) und keine Crianza (dieser muss mindestens 12 Monate im Barrique reifen), aber sie labeln in Spanien Reservas teils als Crianza, also quasi „downsizing“) besteht aus 70% Tempranillo, Garnacha 20%, Mazuelo (= Carignan) und Graciano 10% und liegt 2 Jahre im Fass. Er hatte für uns zu heftige Tannine.

Der „Prado Enea Gran Reserva“ dagegen bestach durch samtig dezente Tannine, leichte Vanille-Aromen, kirschige Noten und Veilchen, ein insgesamt sehr runder Wein.

Eine der wenigen Wüsten in Europa ist die Bardena Reales. Ein Besuch des 415 km² großen Nationalparks (der auch ein UNESCO Biosphärenreservat ist) im Südosten Navarras an der Grenze zu Aragón ist ein tief beeindruckendes Erlebnis.

Den Haupteingang erreichst du, wenn du die Straße von Arguedas her kommend Richtung Süden fährst. Aufpassen: Recht unvermittelt steht links an einer kleinen Abzweigung dieses Hinweisschild (oder du kommst von der N 134 aus). Dann kommst du auch zum Informationszentrum, ein kleiner Stopp und die Beratung lohnt sich. Es gibt noch weitere Eingänge, aber dies ist der beste, da der größte Teil der Strecke gepflastert ist.

Im Gelände selbst findest du fast ausschließlich geschotterte Pisten. Ab 8 Uhr und bis eine Stunde vor Sonnenuntergang kann der Park mit dem Auto, Motorrad oder Fahrrad besichtigt werden. Aber Achtung: Genügend Wasser mitnehmen, hier ist es echt HEISS!

Die Region ist ein angehobener, früherer Meeresboden, und Wasser und Erosion haben eine bizarre Mondlandschaft geformt. Für die ca. 1,5 stündige Rundfahrt, die uns empfohlen wurde, haben wir locker über 3 Stunden gebraucht – an jeder Kurve entdeckst du neue Impressionen oder bereits Gesehenes aus einem anderen Blickwinkel. Wir haben insgesamt 693 (sechshundertdreiundneunzig) Fotos geschossen, weil wir total fasziniert von dieser Fantasy-Welt waren.

Das waren vor uns auch schon andere, insbesondere Filmregisseure! Denn die Bardena Reales war schon Drehort für „Game of Thrones“, zum Beispiel mit der folgenden Formation, bei der du anhand des Schaubildes auch ablesen kannst, wie sie entstand und wie sie in ein „paar“ Jahren aussehen wird…

Außerdem wurden hier Szenen für mehrere Kinohits gedreht: „The Counselor“, ein US-amerikanischer Thriller von 2013 unter der Regie von Ridley Scott (der übrigens einen  Zweitwohnsitz in Oppede/Provence besitzt, wo die Domaine La Garelle mit einem super Viognier zuhause ist – hör mal in unsere Podcastfolge 015 rein!).

Und natürlich für den 1999er James Bond 007 – „Die Welt ist nicht genug“. Von einer kleinen Anhöhe aus, wo auch die Hinweistafel steht, hast du genau den Blick, den Pierce Brosnan und Denise Richards (und natürlich die Zuschauer) für die Sequenzen über der unterirdischen Nukleartest-Anlage in Kasachstan hatten, wo Bond die Spezialistin Dr. Christmas Jones aufgabelte und am Ende des Films….aber Bond-Fans wissen ja, was da immer passiert ?

Dort befindet sich tatsächlich auch ein Militärstützpunkt, denn die Wüstenlandschaft ist auch Übungsgebiet der spanischen Luftwaffe. Wundere dich also nicht, wenn mal Kampfjets über den Sand fliegen.

Die Stadt Logrono wurde uns schon in Hondarribia von unserer Kneipenbekanntschaft empfohlen. Wir haben sie am 1. Juli 2018 besucht, dem Sonntag, an dem Spanien gegen Russland aus der Fussball-WM ausgeschieden ist.

Demzufolge waren natürlich Läden usw. geschlossen, und gefühlt saßen alle Spanier in und vor den Kneipen beim public viewing. Nach dem Ausscheiden herrschte allerdings gar keine Katerstimmung: Man wendete sich wieder dem Genuss und Gesprächen zu und nahm die Niederlage sportlich!

Es gibt zentral einen schönen, sehr schattigen Platz, den Paseo del Espolón.

Lange Arkadengänge prägen die Innenstadt, wo sich die berühmte Tapas-Meile „Calle Laurel“ befindet.

Die schöne Art-deco-Markthalle Plaza del Abastos soll jedenfalls einen Besuch wert sein, haben wir gehört.

Nett war, dass wir beim Rausfahren festgestellt haben, dass Logrono auch Partnerstadt meiner (Burkhards) Heimatstadt Darmstadt ist.

Weitere tolle Tipps und Informationen über die Region findest du hier:

https://tourismus.euskadi.eus/de/rioja-alavesa/

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