Höllisch gut und doch nicht infernalisch: Barbera aus dem Infernot

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In einer weiteren Folge unserer Monferrato-Serie nehmen wir dich heute mit nach Cella Monte. Das ist ein kleines Berg- oder vielleicht eher „Hügel“-Dörfchen ca. 10-12 km südwestlich von Casale Monferrato. Schon bei der Anfahrt schweift dein Blick über Artischocken-Felder und Weinreben. In dieser 500-Einwohner-Gemeinde gedeihen die Reben für den Barbera d’Asti, einem Rotwein mit DOCG-Status. Der Ort gehört auch zum Anbaugebiet des DOC-Gebiets Monferrato.

Hier hat uns Giovanni Rava von der Azienda La Casaccia, einem außergewöhnlichen Bio-Weingut, erwartet. Giovanni, ein sehr netter Winzer, hat uns mit großem Enthusiasmus sein Weingut und seine Weine präsentiert. Dabei hat er großen Wert darauf gelegt, dass die Wurzeln des Weinbaus im Piemont nicht im Langhe und nicht in Barolo, sondern eben genau hier im Monferrato liegen. Und wir meinen, darauf können die Winzer dort zu Recht stolz sein!

Die Region war früher unter dem Meer und wurde später zunächst zur Insel, bevor die ganze Poebene über den Meeresspiegel gehoben wurde. Deshalb finden sich in den Weinbergen heute noch jede Menge Versteinerungen im Kalk. Der Boden sorgt daher für Weine mit deutlicher, spannender Mineralität.

Auf Handarbeit wird in diesem Weingut sehr viel Wert gelegt! So wird ausschließlich in Handlese geerntet, und da Giovanni nur die besten und gesündesten Trauben in seinem Weinkeller haben will, hat er für seine Erntehelfer eine wirklich anschauliche und plausible Erklärung: Sie sollen nur die Trauben in den Bottich werfen, die sie selbst zuhause auf den Tisch stellen und essen würden ?

Die Handarbeit geht im Keller weiter: Er baut zum Beispiel einen Spumante nach klassischer Méthode champenoise aus, der auf den Rüttelpulten von Hand gedreht wird.

Die Familie Rava hat die Azienda La Casaccia in der heutigen Form im Jahr 2000 aus der Taufe gehoben. Tatsächlich hat sie damit ein Weingut mit jahrhunderter alter Tradition vor dem Aus bewahrt, und das ist für alle Genießerinnen und Genießer ein großer Gewinn! Denn das liebevoll gepflegte Anwesen ruht in alten Mauern und steht auf richtig alten Kellern aus dem 17. Jahrhundert. Die sind mit ihren konstant 13-14 Grad ideal für die ruhevolle Reifung der Weine.

Naturstein-Wände und -böden, etwas verwinkelt, auf mehreren Ebenen – so kannst du das Weingut bei einer Besichtigung erleben. Kurios ist ein pfiffiger Einfall des Winzers: In der tiefsten Kellerebene ist ein großer Raum vorhanden, der ideal zum Lagern der Flaschen, allerdings nur über eine lange Leiter nach unten zu erreichen ist. Giovanni hat hier kurzerhand eine Rohrrutsche für Flaschen gebastelt und lässt seine Weine auf diese Weise in den Keller gleiten. Klar ist allerdings, dass er für die „Bergung“ eine Menschenkette braucht, die Flasche für Flasche wieder nach oben befördert – auch hier wieder Handarbeit ?

Einen Teil der Barrique-Fässer lagern in einem ehemaligen Zementbottich, der früher für den einfachen Ausbau von Weinen genutzt wurde. Daran kannst du sehen, dass hier früher auf Menge und heute auf Qualität gearbeitet wird.

Das ganz Besondere an den Weingütern im Monferrato und so auch hier ist allerdings das Infernot. Das ist weder höllisch noch teuflisch, sondern eine historische Besonderheit: Früher wurden die Steinblöcke aus dem Fels gemeißelt und zur Errichtung der Höfe bzw. Gebäude direkt darüber genutzt. Dabei wurden diese so aus dem Grund herausgehauen, dass Räume mit Regalen und einem Tisch in der Mitte übrig blieben – das Infernot war geboren! In jedem Infernot wirst du auf der Treppe nach unten immer einen rechten Winkel finden. Neben der Tiefe im Boden ist das ein weiterer Garant für ganzjährig konstante Temperaturen egal ob Hochsommer oder eiskalter Winter draussen herrscht. Somit ist ein Infernot der beste Lagerplatz für die besten Weine, den man sich denken kann – und deshalb zu Recht Teil der UNESCO-Weltkulturerbes! Manchmal geht auch Giovanni mit seinen Freunden hier herunter, um für die seine besten Flaschen in besonderer Atmosphäre aufzumachen…

Auch für uns hat Giovanni tolle Weine aufgemacht und mit typisch piemontesischen Spezialitäten verkostet.

Das Weingut hat einen Weißwein, einen Chardonnay, im Portfolio. Der ist – wie der Boden vermuten ließ – nicht nur schön blumig und frisch, sondern auch schön mineralisch und somit kein typischer, sondern ein sehr interessanter Vertreter dieser klassischen Burgunderrebe, die im französisch beeinflussten Piemont bekanntlich auch anderswo kultiviert wird. Er kam herrlich gekühlt und mit geschmeidigen 13%-Vol. ins Glas und passte schon bestens zu den berühmten Friciulin piemontesi. Das sind frittierte vegetarische Bällchen aus Spinat, Brennessel und Ei, die aromatisch sehr konzentriert sind und richtig gut, vor allem VIEL besser schmecken als sie aussehen ?

Dann hat uns Giovanni seinen Grignolino POGGETTO serviert, die Rebsorte, die das Monferrato widerspiegelt wie keine andere. Ein helles rubinrot, in der Nase Himbeere und Erdbeere, aber am Gaumen reiche Tannine und würzige Noten – so verzaubert dich dieser Rotwein perfekt! Leicht gekühlt ist der Grignolino nicht nur auch zum kräftigem Thunfisch, sondern auch zur leichten, vegetarischen Küche ein optimaler Begleiter, wie wir am Beispiel der Friciulin feststellen durften! Aber auch zur Salame cotto durchaus passend….

Der Grignolino 2012 ERNESTO ist nach dem Großvater von Elena, der Winzergattin, benannt. Hier kommen in der Nase süße Preiselbeeren, konzentriert und dicht, weniger frisch, aber sehr weich an. Die präsenten Tannine legen sich leicht pelzig im Mund ab, eine leichte Säure ist erkennbar sowie das große Holz und mineralische sowie Noten von Mandel. Die mit Kalbsbraten gefüllten Agnolotti haben wunderbar dazu harmoniert.

Eine lokale, autochthone Rebsorte ist die Freisa. Die Rebe, die ein wenig nach Erdbeere klingt, bringt einen schönen Alltagswein hervor, leicht zugänglich, nicht kompliziert, jung fruchtig mit sanften, geschmeidigen Tanninen, sehr weich, Kirschnoten und leichter Säure und gut für eine mittlere Reifung.

Super interessant fand ich (Burkhard) bei der Nachbereitung eine Studie aus 2004, die ergab, dass die Sorte Freisa zum einen mit der französischen weißen Sorte Viognier verwandt ist. Das Agrar-Institut Grugliasco bei Turin führte mit der University of California DNA-Analysen an über 1.500 Rebsorten durch, die zeigten, das 30 von 32 Indikatoren bei Freisa und Viognier identisch sind. Die gleiche Untersuchung lässt darauf schließen, dass zum anderen die italienische Sorte Nebbiolo seinerseits von der regionalen Rebe Freisa abstammt!

Außerdem hat das Weingut 3 Barbera im Portfolio, einer ohne Holz und zwei aus dem Holzfass, den Bricco dei Boschi und den Caliché, beide 2015, beide 14,5% ?, aber völlig unterschiedlich!

Wenn du wissen willst, mit welchen Aromen die Barberas aufwarten, dann hör dir unsere Podcastfolge 53 an! Zur Weinprobe mit Kleinigkeiten zum Essen am besten voranmelden – 3 Weine, 3 Teller, 10 Euro!

Anschauen solltest du dir auch das Ecomuseo della Pietro da Cantoni, ein kleines Museum weiter oben im Dörfchen. Es befindet sich in einem Gebäude, das ebenfalls über einem Infernot erbaut wurde. Hier kannst du dich auch über die Geschichte des Infernot und die geologische Geschichte der Region informieren. Außerdem siehst du da diese „Wetterschießmaschine“, wie wir sie getauft haben: Ein Gerät, das wie ein überdimensioniertes Megafon aussieht. Das wurde früher mit explosiven Material bestückt und hat spezielle Schallwellen nach oben in die Wolken geschickt, die dann Unwetter aufgelöst haben.

Einen Besuch wert ist auch die Salumeria & Tabacchi Enrico Francia. Das ist ein wahrer Tante Emma Laden, bei dem unwillkürlich Kindheitserinnerungen ans Kaufladen-Spielen hochkommen ? Das Lädchen, dessen Innenausstattung seit Jahrzehnten unverändert scheint, bietet die Grundversorgung fürs tägliche Leben, aber oft steht eben von einem Artikel nur ein Exemplar im Regal, aus dem heraus du bedient wirst.

Da gerade auch das Fest Riso e Rose im Monferrato gefeiert wurde, haben es die Bewohner auch hier richtig krachen lassen: Das ganze Dorf war überall voll mit wunderbar blühenden Rosen, die einen noch herrlicheren Duft verströmten. Also: Cellamonte ist allemal einen Besuch wert!

Hier kannst du dir die Podcastfolge 053 dazu anhören.

Hier lang zu den anderen Blogbeiträgen über das Monferrato.

Und hier kommst du zu unseren gesamten Podcastfolgen.

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